Geschichte der ökumenischen Bewegung der Neuzeit

Man sagt, die ökumenische Bewegung der Neuzeit beginnt mit der Weltmissionskonferenz in Edinburgh 1910. Verschiedene protestantische Kirchen und Missionsgesellschaften vornehmlich aus dem angelsächsischen Raum haben sich getroffen, um miteinander darüber zu sprechen, wie man den christlichen Glauben zu den nichtchristlichen Völkern bringen kann. Sehr schnell hatte man festgestellt, dass die Spaltung der Christen ein entscheidendes Missionshindernis war. Als zweiter Anstoß mit Breitenwirkung gilt die Bewegung des Weltgebetstages der Frauen.

Zuerst blieb die ökumenische Bewegung eine innerprotestantische Angelegenheit. Die römisch-katholische und die orthodoxe Kirche beteiligten sich zunächst nicht daran bzw. lehnten sie ab.

Im Deutschland, sagt man, sei der Pfarrerblock im Konzentrationslager Dachau die Keimzelle der ökumenischen Bewegung gewesen. In der Begegnung als gemeinsam von den Nationalsozialisten Verfolgte seien sich katholische und evangelische Geistliche nähergekommen und hätten entdeckt, dass jenseits aller theologischen Differenzen und geschichtlicher Verwerfungen der Glaube an Jesus Christus die gemeinsame Basis für alle ist.

In Lübeck ist ein wichtiges Band der Ökumene das gemeinsame Glaubenszeugnis der vier Lübecker Märtyrer, deren Blut unter dem Fallbeil der Nationalsozialisten buchstäblich zusammengeflossen ist. Die drei katholischen Kapläne Johannes Prassek, Hermann Lange und Eduard Müller von der Herz Jesu-Gemeinde und der evangelische Pastor Karl Friedrich Stellbrink von der Luthergemeinde waren im Lübecker Christenprozess 1943 gemeinsam zum Tode verurteilt worden.

Ein weiterer Anstoß für das Erstarken der ökumenischen Bewegung in Deutschland war die Durchmischung der ehemals konfessionell geschlossenen Gebiete, beginnend mit dem Wachstum der Städte und im Zuge der Industrialisierung im 19. Jahrhundert und der Integration der großen Zahl der Flüchtlinge im Gefolge des 2. Weltkrieges. Vorher unvorstellbare Dinge waren plötzlich notwendig und möglich: Man öffnete den anderen die eigenen Kirchen und Gebäude, damit sich diese zu ihren Gottesdiensten versammeln konnten. Aus notgedrungener Gastfreundschaft wurde eine wirkliche Freundschaft der Gemeinden und Kirchen wie auch der für sie handelnden Personen. Auf allen Ebenen wurden Dialoggruppen gegründet, die ein Gespräch zwischen den verschiedenen Kirchen aufnahmen. Dies geschah auf höchster kirchenleitender Ebene genauso wie in den Gemeinden unter Beteiligung vieler Menschen. Man sprach miteinander und überlegte, was man gemeinsam für Gott und die Menschen tun könnte. So entstanden ökumenische Gottesdienste und auch ökumenische soziale und politische Initiativen.

Die Gründung der ACK auf Bundesebene wie auch die Gründung lokaler ACK ist ein Instrument der multilateralen Ökumene. In Lübeck ist daraus über viele Jahre hinweg ein Friedensgebet in der Petrikirche entstanden oder auch die Mitwirkung am Zurückdrängen des jährlichen Nazi-Aufmarsches wie auch Initiativen zum interreligiösen Dialog mit den verschiedenen muslimischen Gemeinden und der jüdischen Gemeinde. Begegnungen zwischen den Pastorinnen und Pastoren wie auch von gemeindlichen Gremienmitgliedern wurden und werden immer wieder organisiert. Ökumenische Gottesdienste wie z.B. jüngst zum Hansetag oder auch jährlich zum Auschwitzgedenktag am 27. Januar gehören zum regelmäßigen Programm.

Pfr. Joachim Kirchhoff

 

Das, was uns verbindet, ist viel stärker als das, was uns trennt.
(Johannes XXIII)